Einzeltraining oder der Blick auf die kleinen Dinge

Seitdem ich vor ein paar Jahren meine Ausbildung zur Theaterpädagogin abgeschlossen habe, hat sich bei Didel-Dadel-Dum einiges geändert.

Mike und Vanessa

Mein Blick für Details, ganz kleine Aspekte hat sich enorm geschärft. Bei unseren großen Proben, die wöchentlich stattfinden, kann ich aber hierauf kaum eingehen. Denn wenn man mit einer Person eine winzige Szene fünf oder zehn Mal probiert, scharren die anderen mit den Hufen. Sie langweilen sich. Einzelne Wiederholungen sorgen da schon oft für lange Gesichter. Bei diesen Proben kommt es in der ersten Hälfte des Jahres hauptsächlich darauf, an gemeinsam den Text zu lernen und sich die Abläufe einzuprägen. Echtes Theater entsteht hier noch nicht.

Damit beginnen wir dann im Sommer auf unserer alljährlichen Theater-Freizeit. Dort wird in Kleingruppen und auch in wirklichen Einzeltrainings an der Rolle selbst gearbeitet. Meine Schauspieler sind oft verwirrt, wenn ich sie frage, wer ihr Charakter denn eigentlich ist.  Was ist das, was ihn ausmacht? Aber genau dieser Weg ist wichtig zu gehen, damit der Schauspieler sich in eine andere Person verwandeln kann.

Oft wirken Szenen künstlich und hölzern, bis wir ihnen in diesen Trainings den letzten Schliff geben. Manchmal sind es Bewegungsmuster, die nicht zur Rolle passen, manchmal ist es die Betonung, die unpassend wirkt. Es kann aber noch viel mehr sein, der Gesichtsausdruck, das Sprechtempo, das Kostüm, ein fehlendes Requisit, ein fehlender Tick.

Oh ja, fast jede große Figur/Rolle bekommt einen Tick. Ein Merkmal, dass sie unverwechselbar und für den Zuschauer greifbar macht.  An diesen kleinen Macken machen sich viele Emotionen fest und sie helfen dem Schauspieler den Charakter der Rolle deutlich zu zeigen. Ich erinnere mich nur zu gern an einen eifersüchtigen Ehemann, der auf der Bühne jede Vorstellung so lange einen Regenschirm malträtiert, bis er hoffnungslos zerstört ist. Das Raunen, dass dabei durch den Saal ging, bescherte viel Applaus.

Was auch schwer ist: Gefühle in der richtigen Abstufung darzustellen, also ein wenig böse deutlich anders darzustellen, als ein wenig eingeschnappt oder ein wenig gehässig. Die Stufen innerhalb eines Themas sind auch nicht leicht. Also erst rege ich mich etwas auf, dann bin ich schon ziemlich aufgebracht, jetzt bin ich sauer und im nächsten Moment könnte ich platzen vor Wut. Auch hier arbeiten wir im Einzeltraining daran die richtige Dosierung zu finden.

Manchmal ist es schwer, wenn ich nicht übermitteln kann, was ich meine. Das passiert zum Beispiel, wenn der Schauspieler eine Situation/Gefühlslage selbst noch nicht erlebt hat. Hier müssen wir uns dann über ähnliche Erinnerungen an das Gesuchte herantasten. Oft kommt es dabei zu Tränen, manchmal auch zu Wut, wenn man etwas in dem Moment nicht an sich heranlassen möchte. Deshalb ist der geschützte Raum, den unsere Gruppe bildet, auch so wichtig. Ebenso schwierig ist es für mich als Frau, wenn es darum geht typische Männergesten oder -verhaltensweisen einzutrainieren. Ich sag dann immer nur: „Ungefähr so, übersetz mal in Mann.“

Die Trainings bei den Freizeiten werden von mir bestimmt. Hier trifft es in der Regel zuerst die großen Rollen. Denn die Hauptdarsteller haben ja auch die meisten Szenen zu bewältigen und oft viele unterschiedliche Hürden zu meistern. Hier ist es auch am wichtigsten, dass der Text sitzt. Wer Hauptdarsteller sein will, muss nicht nur regelmäßig zu den Proben erscheinen, ihn treffen auch die meisten Zusatztermine. Daher entscheidet hier meist die Zuverlässigkeit bei der Verteilung der Rollen.

Die Einzeltermine nach der Freizeit sind oft von den Schauspielern selbst gewünscht. Ich biete offen an, dass man mit mir entsprechende Termine vereinbaren kann und dann gehts bei uns zu Haus ans Eingemachte.

Oft werfe ich innerhalb weniger Übungswochen das Konzept für eine Szene mehrfach um, für die Schauspieler nicht leicht, aber manchmal finde ich das Richtige nur durch Ausprobieren. Da sind die Einzeltrainings prima und ich tobe mich aus – auch wenn das nicht so aussieht, weil ich die meiste Zeit auf dem Sofa sitze 🙂 .

Die Einzeltrainings, so kann man sagen, bringen das Salz in unsere Theatersuppe.

Peggy

Comments are closed.